Die Alten sind die Neuen: Wie geht es weiter mit Italien, Mario Draghi und Sergio Mattarella?

Datum/Zeit
Donnerstag, 10.02.2022
19:00 - 20:30 Uhr

Online-Veranstaltung per Zoom

Gespräch mit Jörg Seisselberg, ARD-Hörfunkkorrespondent in Rom

Sergio Mattarella (2015) – Quirinale.it, Attribution, via Wikimedia Commons

Die Alten sind die Neuen. Am 29. Januar ist die Entscheidung gefallen: Präsident Sergio Mattarella bleibt für eine zweite Amtszeit im römischen Quirinalspalast. Und das heißt: ein Auseinanderfallen der Koalition und vorzeitige Neuwahlen sind vorerst gebannt.

„Super-Mario“, Ministerpräsident Mario Draghi, kann ein weiteres Jahr die Regierung führen. Sechs Tage und acht Wahlgänge konnten Italien und die Welt einem peinlichen Schauspiel von scheiternden Präsidentschaftskandidaten und weißen Stimmzetteln zuschauen. Um das zu beenden, hat Mattarella, der beliebte 80-Jährige, der schon seine Kisten gepackt hatte, nochmals Verantwortung übernommen und bleibt für eine zweite Amtszeit. Und so kann auch Mario Draghi noch ein Jahr die italienische Politik führen. Alle sind erstmal zufrieden: Die Italiener, die Regierungen Europas, Brüssel und die Börsen.

Mario Draghi (2021) – Quirinale.it, Attribution, via Wikimedia Commons

Denn Draghi, der Hoffnungsträger, seit dem 13. Februar 2021 Chef einer „Experten“-Regierung, hat politische Wunder bewirkt im Corona- und krisengebeutelten Land und in kürzester Zeit die Weichen gestellt für einen gewaltigen Modernisierungsschub: Mit einer Impfquote von über 88% steht das Land gut da im Kampf gegen das Virus, wenngleich auch hier die Omikron-Zahlen ansteigen. Vor allem aber hat Draghi, Ex-Chef der Europäischen Zentralbank, in Brüssel eine Corona-Wiederaufbauhilfe in Höhe von 192 Milliarden Euro erwirkt, natürlich gebunden an Konditionen und klare Regeln. Aber schon die Aussicht auf die EU-Milliarden für Gesundheit, Schulen, Digitalisierung, ökologischen Umbau haben die Italiener quer durch die Parteien zu Begeisterungsstürmen hingerissen. Auch die Regierung, ein unglaubliches Bündnis von links über die Cinque Stelle bis nach rechts zu Matteo Salvinis Lega, hält bislang ohne bedrohlichen Streit.

Draghi, der Mann der knappen Worte und schnellen Entscheidungen, konnte also anfangen, Italien umzukrempeln: „Mr. Euro“ weckte Vertrauen bei Investoren und in der Finanzwelt, er zähmte die populistischen Parteien. Sogar die gewaltig erhöhten Gebühren für „Wildparken“, die „sosta selvaggia“ bis über 600€, haben die Italiener geschluckt. In rasantem Tempo handelte der Ex-Banker eine Reform der schwerfälligen italienischen Justiz aus und zimmerte gegen viele Einzelinteressen eine Steuerreform, beides Voraussetzungen für Zahlungen aus dem recovery funds. Alles ohne Twitter, Schlagzeilen oder Pathos. Schneller als erwartet ist der Wirtschaftsmotor angesprungen: Sechs Prozent Wachstum 2021. Der britische „Economist“ erklärte Italien zum Land des Jahres 2021. All das tut der italienischen Seele gut, mehr noch als der Sieg bei der Fußball-EM. Wie lange kann diese Hochstimmung anhalten? Wie lange können die EU-Milliarden eine Koalition zusammenhalten, die zuletzt bei der Präsidentenwahl ihre Zerrissenheit offenbart hat?

Jörg Seisselberg – www.br.de
Ulrike Petzold

Hörfunk-Korrespondent Jörg Seisselberg berichtet seit vielen Jahren für die ARD aus Rom. Ulrike Petzold, Journalistin und Vorstandsmitglied in der DIG, fragt ihn nach der Bilanz des Jahres 2021 und nach der Zukunft des Landes mit Mario Draghi und Sergio Mattarella und einer fragilen Regierung.

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