Späte Ehrung: Gedenktafel für Rudolf Jacobs enthüllt als Erinnerung an den Bremer, der 1944 im Kampf gegen Krieg und Faschismus sein Leben verlor
Am Nachmittag des 3. November 2022 war es so weit: Vor dem Bremer Hermann-Böse- Gymnasium versammelten sich bei sonnigem Herbstwetter über 200 Menschen, um bei der feierlichen Enthüllung einer Gedenktafel neben dem Portal der Schule dabei zu sein, unter ihnen die Senatorin für Bildung Sascha Karolin Aulepp, VertreterInnen der Deutsch-Italienischen Gesellschaft, der Friedensschule Bremen-Nord und Gäste aus Italien: Denise Murgia, 2. Vorsitzende von ANPI Sarzana, die nationale Partisanen-Organisation Italiens, und Carlo Greppi, Historiker aus Turin und Autor des Sachbuches „Il Buon Tedesco“
Sehr emotional ging es los: der Chor der Schule intonierte die „Hymne“, ein Freiheits-Lied, das der Namenspatron der Schule, der Musiklehrer Hermann Böse (1870-1943), komponiert hat. Dann das bekannte Partisanenlied „Bella Ciao“, für Rudolf Jacobs, den ehemaligen Schüler des damaligen „Bremer Realgymnasiums“, der am 3. November 1944 im Kampf gegen Krieg und Faschismus in Norditalien starb.
Die Bremer Senatorin für Kinder und Bildung würdigte beide in ihrer Rede: Rudolf Jacobs, der die Schule von 1925 bis 1932 besuchte, und Hermann Böse, Musiklehrer und Kommunist, der an den Folgen seiner Deportation ins KZ Mißler starb. Beide Persönlichkeiten eint, sagte sie, ihr aufrechtes Eintreten für Humanität und ihr Widerstand gegen den Nationalsozialismus, den sie beide schlussendlich mit ihrem Leben bezahlten. Die SchülerInnen ermutigte Frau Aulepp, für Demokratie und Frieden einzustehen.
Rudolf Jacobs, der Sohn einer namhaften Bremer Architektenfamilie, war 1943/44 als Marine-Offizier an der norditalienischen Front stationiert, wo Wehrmacht und SS einen grausamen Vernichtungsfeldzug gegen die Zivilbevölkerung führten. Jacobs schloss sich den Partisanen an und kämpfte als „Comandante Rodolfo“ auf ihrer Seite und wurde in der Kleinstadt Sarzana von italienischen Faschisten erschossen. Dort bis heute verehrt, ist er in seiner Heimatstadt Bremen bisher weithin unbekannt.
Die Schulleiterin Sibylle Müller betonte, dass sich Hermann Böse und Rudolf Jacobs gekannt haben, denn jeder hatte damals bei Musiklehrer Böse Unterricht. Und sie berichtete von der Vorgeschichte dieser Gedenktafel: Ulrike Petzold, Journalistin und Vorstandsmitglied in der DIG, hatte sich zwei Jahre zuvor mit ihrer Idee einer Gedenktafel an die Schule gewandt, wo man zuvor Rudolf Jacobs nicht gekannt habe. Seitdem begleite sie die Schüler-Projekte.
Die Enkelin des Partisanen, Claudia Höft betonte, dass ihr Großvater aus Humanismus, und Gerechtigkeitsgefühl gegen Faschismus und Krieg gekämpft habe, nicht geleitet von einer Ideologie.
Lena Grote und Fanny Bierwirth, die zwei Abiturientinnen, die aktiv in der Geschichts-AG arbeiten, wollen vor allem Geschichte wachhalten, damit niemals wieder Menschen unter Einsatz ihres Lebens gegen eine Diktatur kämpfen müssen.
Nach der feierlichen Enthüllung der Gedenktafel ging es in der Schule weiter. Dort konnten die Besucher bei Kaffee und Keksen die Arbeitsergebnisse der Schüler begutachten, die sich mit dem Zweiten Weltkrieg in Italien und der Frage von Widerstand, Gewalt und Menschenrechten befasst haben.
Zudem hatte die Mitglieder der Friedensschule Bremen-Vegesack-Marzabotto eine Ausstellung zu Rudolf Jacobs aufgebaut
Beim anschließenden Podium in der imposanten Aula der Schule, das Dr. Christine Stangl, stellvertretende Schulleiterin, und Marco Eggert, Vorsitzender der DIG, eröffneten, konnten die Teilnehmer unter der Leitung von Ulrike Petzold über den Widerstandskämpfer und die Lehren für heute debattieren.
Denise Murgia hob hervor, wie wichtig Erinnerung und Gedenken heute in Italien und überall in Europa seien, damit sich Krieg und Diktatur nicht wiederholen können.
Per Video kam ein Grußwort von Cristina Ponzanelli, Bürgermeisterin der norditalienischen Stadt Sarzana, in dem sie auf Deutsch den Mut des italienischen Widerstandes und des deutschen Soldaten Rudolf Jacobs herausstellte. Sie freue sich, dass er nun in Bremen diese Ehrung erfahre.
Carlo Greppi, der Historiker, verwies auf die bedeutende Rolle der Partisanen für die Befreiung Italiens von Besatzung und Faschismus und erläuterte, dass dies aufgrund der Gewalt des Gegners gegen die Zivilbevölkerung nur mit der Waffe in der Hand möglich gewesen sei.
Für die Schülerinnen stellte sich die Frage nach der Figur des Helden, nach Gewalt und Menschenrechten überhaupt. Und Ekkehard Bohne von der Friedensschule Bremen-Vegesack berichtete, wie vor Jahren auf Initiative des verstorbenen ehemaligen Leiters des Bürgerhauses, Gerd Meyer, eine Statue für den „unbekannten Deserteur“ und eine Gedenktafel an Rudolf Jacobs in den Eingangsbereich des Bürgerhauses kamen.
Nach dem zweistündigen Podium statteten VertreterInnen der DIG und der Schule mit den italienischen Gästen den Stadtmusikanten einen Besuch ab, um dann im Bremer Ratskeller bei Fisch, Labskaus und Wein die Eindrücke sacken zu lassen.
Am nächsten Tag, am Vormittag des 4. November, lud die DIG die italienischen Gäste zu einem Stadtrundgang in italienischer Sprache ein, bei dem Stadtführerin Beatrice Guidi pointenreich Bremer Geschichte und Geschichten präsentierte, bevor die Gäste wieder zum HBG aufbrachen, um in der vollbesetzten Aula mit SchülerInnen zu diskutieren.
Fanny Bierwirth und Lena Grote moderierten die Fragen nach Krieg und dem Kampf der Partisanen. Auch die aktuelle politische Lage in Italien und die antidemokratischen Entwicklungen in Europa beschäftigten die SchülerInnen.
Carlo Greppi betonte hier, was Rudolf Jacobs mit seiner folgenschweren Entscheidung zeigen wollte: Dass es ein anderes Deutschland als das der Nationalsozialisten gibt, dass eine friedliche und freie Welt möglich ist.
Und mit dem Historiker konnten am Abend auch die Besucher der DIG-Veranstaltung im Bremer Presseclub diskutieren. Vor ungefähr 50 Teilnehmern trug Greppi Abschnitte aus seinem Buch „Il buon Tedesco“ vor, über Rudolf Jacobs und die Partisanen an der norditalienischen Front, und vertiefte dies im Gespräch mit unserem Vorstandsmitglied Ulrike Petzold, übersetzt von Valeria Casagrandi. Hunderte von deutschen und österreichischen Soldaten, auch Polen und Russen hatten sich dem italienischen Widerstand, der Resistenza, angeschlossen, so der Historiker. Doch Rudolf Jacobs war ein besonderer Fall, da er wirklich in den Kampf zog und dies mit seinem Leben bezahlte. Was macht diesen Deutschen so interessant für einen italienischen Historiker? Wie hat er sich angesichts der schwierigen Quellenlage seiner Hauptperson genähert? Dies waren Fragen zu dem Buch, das bisher nur in italienischer Sprache vorliegt.
Ein Spaziergang durch das Schnoorviertel und ein Glas Wein beendeten zwei intensive italienisch-bremische Tage, deren Bindeglied der Bremer Rudolf Jacobs war. Und Diese Verbindung wird vielleicht noch enger: Eine Schule aus Sarzana hat eine Partnerschaft mit dem Hermann-Böse-Gymnasium vorgeschlagen.
Ulrike Petzold: „Jacobs steht für Zivilcourage, Antifaschismus, Mut und Moral, alles Haltungen von höchster Aktualität. Es wäre schön, dachte ich, wenn die Bürger ihn auch hier besser kennen würden. Nun ist das möglich”
Ulrike Petzold (DIG Bremen)